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Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
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Und genau um dieses Bild herum finden wir – Grimm zufolge – den ersten „reinen“ Bilderrahmen, bei dem aus „den Elementen architektonischer Überleitung und Zwischengliederung, Kehle und Profil… eine eigene Form entstanden“ ist. Durch sein gleichmäßiges Profil bewahrt der Rahmen allseits Äquidistanz zur Malerei, wodurch deren Charakter als selbständige visuelle Einheit unterstrichen wird. Die gestaffelten Profilleisten formieren eine skulpturale Oberfläche, die im Unterschied zu den gotischen Rahmen die Aufmerksamkeit nicht vom Bild weg auf sich zieht und im Unterschied zu beiläufigen Rahmungsformen – wie etwa denen der Fresken – die plastische, räumliche und farbige Wirkung des Bildes erheblich verstärkt.

Endgültig aus den Tafelbildern verdrängt wird das Gold in der Frührenaissance. Die Entwicklung läßt sich in den Verträgen zwischen Malern und Auftraggebern verfolgen, wo die Abmachungen über zu verwendende kostbare Materialien wie Gold, Ultramarin, Silber immer marginaler wurden, während die Punkte, die den Arbeitsaufwand und speziell die vom Meister eigenhändig auszuführende Arbeit betreffen, an Umfang ständig zunehmen. Entsprechend vergrößert sich der Kostenanteil der Arbeit gegenüber dem des Materials. Gold wird immer öfter nur für den Rahmen vorgesehen. Der Wert des Bildes wird also nicht mehr in der Kostbarkeit des Materials, sondern in der in ihm vergegenständlichten Arbeit und deren künstlerischer Qualität erblickt.

Es handelt sich bei den Bildern immer noch um Güter, die einen religiösen Gebrauchswert haben, aber dieser hat sich von der Verehrung und der Wundertätigkeit weg hin zur Belehrung und zur Imagination der Heilsgeschichte verschoben. Dieser Wandel der Gebrauchsfunktion von der direkten Kultfunktion zur Erklärung des Kults, vom Adressaten persönlicher Wünsche zum Orientierungssystem der religiösen Phantasie, vom diffus Geheimnisvollen zur sinnlichen Evidenz bringt mit sich, daß die künstlerische Arbeit einen grundsätzlich anderen Stellenwert bekommt als die handwerkliche Arbeit des Rahmenmachers – und daher nicht mehr nach dem Maßstab der Arbeitszeit, sondern nach den speziellen persönlichen Fähigkeiten des Künstlers honoriert wird. Wie der Rahmen zum Diener des Bildes wird der Rahmenmacher zum Subunternehmer des Malers.

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