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Das Goldene und das Dunkle
Ein Versuch über den Bilderrahmen
aus: Leander Kaiser, Das Goldene und das Dunkle, 1988
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Axiomatisch ist auch die Prämisse, daß es sich bei dem Gerahmten um ein in sich abgeschlossenes Ganzes handelt, daß die einzelnen Elemente, die wir im Rahmen sehen, Teile eines Ganzen sind, die nicht isoliert von diesem betrachtet werden dürfen; oder anders ausgedrückt: daß wir eine komplette Information vor uns haben, die nicht anderweitig ergänzt oder erst auf ihre relevanten Elemente reduziert werden muß, um verstanden werden zu können. Das ist die Prämisse der Immanenz, die speziell vom Bilderrahmen artikuliert wird, sobald die Malerei eine gewisse Stufe der Welthaftigkeit erreicht hat.

Psychologische Rahmen sind offenbar ein so generelles und grundlegendes Denkphänomen, daß man mit Bateson zu dem Schluß kommen könnte, der „wirkliche physische Rahmen (sei) von menschlichen Wesen den physischen Bildern hinzugefügt worden, weil sich diese menschlichen Wesen besser in einem Universum zurechtfinden, in denen einige ihrer psychologischen Charakteristika veräußerlicht sind.“ – Ein Schluß, der wegen der unendlichen Wechselwirkung von physischen und psychologischen Rahmen in der menschlichen Zivilisation kaum beweisbar sein dürfte.

BEI DEN PHYSISCHEN wie bei den psychologischen Rahmen kann man im wesentlichen „einschränkende“ und „eröffnende“ Rahmungsarten unterscheiden. Die vollständigere Erfassung und innigere Verknüpfung der Tatsachen und Informationen innerhalb eines Rahmens ist zwar immer verbunden mit einer verminderten Aufmerksamkeit für alles andere und einer Reduzierung der Verhaltensmöglichkeiten. Aber die Frage ist, ob es sich dabei im Endeffekt um die „Reduktion der Komplexität“ oder um die Aufhebung dieser Reduktion geht. Der Besucher einer Kirche oder einer hochgestellten Person durchschreitet meist eine ganze Reihe von Rahmen, die die geforderte Einschränkung des Verhaltens auf eine bestimmte Regelhaftigkeit signalisieren sollen. Die Rahmen wirken wie eine Folge von Prämissen, durch die die Möglichkeiten des Denkens und Verhaltens immer weiter vermindert werden. Im Zentrum eines solchen „Rahmensystems“ wird die Aufmerksamkeit auf eine einzige Person, ein einziges Ding, einen einzigen Gedanken und auf das einzig adäquate Verhalten konzentriert, zu dem die Alternative vielleicht nur mehr die Blasphemie oder die Revolte ist.

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