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Ecce Homo - Menschwerdung und moderner Antihumanismus
Referat im Rahmen der Innsbrucker Gespräche über Ästhetik 2007
Leander Kaiser, Wien, Oktober 2007

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In der bereits erwähnten Schrift über den „Geist der Liturgie“ hat sich der jetztige Papst auf die Beschlüsse des 7. Okumenischen Konzils, des II. Nicäanums, aus dem Jahre 787 bezogen. Dieses Konzil besiegelte den ersten großen Sieg der Ikonodulen, der Bilderverehrer, über die Ikonoklasten, die Bilderzerstörer, im byzantinischen Bilderstreit. Das zentrale Argument der Ikonodulen war, dass die Erlösung ja gerade durch die Menschwerdung Gottes vollzogen und Christus daher in menschlicher Gestalt dazustellen sei. Die Ikonoklasten forderten dagegen, Christus mit dem „geistigen Auge“ zu verehren, nämlich den auferstandenen Christus, „der in Herrlichkeit zur Rechten Gottes sitzt…“. Dem „geistigen“ Auge genüge die Schrift. Die Ikonoklasten reduzierten die sinnliche Vermittlung der Heilsbotschaft auf zeichenhafte Symbole, ähnlich den Kreuzen, Kelchen und stilisierten Lämmern, die man in heutigen Kirchen oft sieht, während die Ikonodulen in diesem Symbolismus eben die Leugnung der Inkarnation, d.h. einen Abfall vom Christentum erblickten.

Den Byzantinern geriet die Ikonenverehrung zur sakramentalen Teilhabe am Heiligen und zum Weg der Erlösung, was Joseph Ratzinger, der in der Ikone eine beispielhafte Form liturgischer Kunst sieht, zurückweist. Die Darstellung des Höchsten, Absoluten in menschlicher Gestalt blieb in Byzanz zwischen der realen Idolatrie, ja dem Fetischismus der Ikonenverehrung und dem theologisch geforderten Durchscheinen der gemalten Abbilder auf die himmlischen Urbilder stecken. Die Menschlichkeit dieser Kunst bleibt vor den Goldhintergründen zerfließend, schemen- und schattenhaft. Vielleicht hat der Papst gerade deswegen Recht, den malerischen Gottesdienst der Byzantiner für beispielhaft zu erklären, weil auch der Mensch dem Menschen heute oft als vorbeihuschender Schemen erscheint, und Figur und Antlitz des Menschen verschattet sind. Erst einmal den Blick auf den Menschen, wenn nicht gleich den „ganzen Menschen“ künstlerisch zu restituieren, wäre die Aufgabe. Jesus Christus gerät dem Heiligen Vater, bei aller Bemühung, das beschädigte Bild Christi zu restituieren, in seiner Menschlichkeit verschwimmend durch das „Durchscheinen auf den Vater“. So wird Christus zur Ikone und die Ikone zum realen Bild Christi.

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