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Über Leander Kaisers neue Bilder

Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Wiener Zeitung, 25.10.2002
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Der Künstlerphilosoph gehört zur eigenwilligsten Spezies Mensch. Er entwirft neue Mythen, nachdem der Mythos für tot erklärt wurde und er mischt versunkenes Wissen in seine Bilder. Selbst das Equilibristendasein ist für ihn thematisierbar und nimmt wie ein Spiegel die Gefühlsbewegungen und Launen seines Schöpfers auf.

Wie Gaukler hängen da Menschen weit über der Landschaft an Stangen, über Wassern, in Kuppeln; sie scheinen nichts von der Gefahr des Absturzes in Tiefen des Bildraumes zu ahnen. Die Menschen in Leander Kaisers Gemälden haben das geheimnisvolle Tun, angekündigt durch rätselhafte Gesten, gemein. Die gemalte Oberfläche ist spröd, bewusst trocken dem Mauercharakter von Fresken angeglichen - nichts verrät die ölige Konsistenz der Farben. Ein Täuschungsmannöver? Die Arte memoria verweist auf Riten, Triumphzüge und Unglücksfälle, die jedoch wie im Traum passieren. Die Geschehnisse machen nachdenklich, fordern "Arbeit am Mythos", sie lassen die Welt anders erscheinen als bekannt. Sie muten wie Initiationen in die epischen Erzählungen unserer Geschichte an.

Gegenüber seinem zweiten Anfang als Maler in den achtziger Jahren sind Kaisers neue Bilder noch mehr dem Malerischen verschrieben: scharfe Konturen weichen mehr dem Fluss der Farbe, die Konfigurationen sind auf wenige Gestalten und Gegenstände konzentriert, aber keineswegs leichter entschlüsselbar.

Kaiser ist Schattenkundler mit prometheischen Ambitionen, Ästhetikfanatiker in illusionistischer Traumdeutung. Kritikerinnen und Kolleginnen haben es schwer: Er gibt nur selten präzise Inhalte preis und meint man einen Turm des Schweigens der Zoroastrier zu erkennen, ist es dann doch nur ein großer Felsen in einer Meeresbucht. Betrachterinnen und Betrachter müssen "bewandert" sein in der Philosophie, der Kunstgeschichte mit ihren "Pathosformeln" bei Piero, Tizian und Cagnacci bis herauf zur "Pittura metafisica".

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