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Kandinsky, die Musik und Madame Blavatsky

Leander Kaiser, Wien 2001
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2. ein gnostischmanichäischer Begriff des Geistes, für den der Mensch zwischen dem Sinnlichen und dem Übersinnlichen, dem bloß materiellen und den reinen Geistwesen steht, deren Wirklichkeit dem Eingeweihten der Geheimlehre hinter dem Schleier der sinnlichen Erscheinungen erkennbar wird;

3. eine Rassenlehre, die die Höherentwicklung der Menschheit mit dem Triumph der "arischen Wurzelrasse" über die "schwarzen Rassen", ja mit dem Verschwinden der Semiten, Afrikaner und Asiaten als Überbleibsel einer früheren Menschheit verknüpft.

Vor allem diesen dritten Punkt, der die Theosophie zur direkten Vorläuferideologie des Nationalsozialismus macht, versuchen die heutigen Theosophen nach Kräften wegzudiskutieren.16

Kandinskys lebenslange Anhänglichkeit an die Theosophie, respektive an ihre ästhetisierte Form, die Anthroposophie, manifestiert sich noch in seinem letzten längeren Text von 1938, wo er die "große Synthese" von Kunst, Wissenschaft und Mystik propagiert.17 Die Reden von Geist, Göttlichem, geistigen Wesenheiten, Geistwesen usw. – oft mit der Eigenschaft der "Reinheit" in Verbindung gebracht – mögen mitunter vieldeutig sein; in Summe verraten sie den Einfluß des Gnostizismus, für den der Geist kein Denken sondern ein Übersinnliches ist, zu dem der Mensch sich bei Kandinsky durch den "abstrakten Geist" befreien soll. Der Intellekt im Sinne neuzeitlicher Rationalität ist für Kandinsky ein Widersacher des Gefühls, der Seele, des Geistigen. Wie weit Kandinsky den Rassismus und Antisemitismus der Theosophie geteilt hat, kann ich nicht sicher beurteilen; aber es gibt dafür Belege. (Siehe unten, Nachtrag).